„In den Bildern Swjatoslaws erkennen wir die harmonische Spannung aller Teile des Bildes. Die Qualität von Werken ist erhaben, wenn sich in ihnen keine Gleichgültigkeit findet.<…> Es ist wunderbar, wenn jemandem diese große Gabe im Leben gegeben ist, durch die alles Dunkle und alles Elend in Freude der Seele verwandelt wird. Und wie freudig sollten wir all diejenigen begrüßen, die durch den Willen des Schicksals Schönes in das Leben tragen können!“ (Nikolaj Roerich)
Swjatoslaw Roerich wird am 23. Oktober 1904 in der Stadt Sankt Peterburg geboren, mit der er die ersten 12 Jahre seines Lebens verbunden sein soll. Bereits in früher Kindheit zeigt der Junge Interesse für die Naturwissenschaften, die sich harmonisch mit seinen künstlerischen Fähigkeiten verweben.
„Ich habe mich sehr für die Ornithologie und die Zoologie interessiert“, so erinnert sich Swjatoslaw. „Elena hat mir alle notwendigen Bücher beschafft, die sie finden konnte. Sie kaufte uns ausgestopfte Vögel, stellte für uns eine Sammlung von Insekten und Käfern zusammen. Darüber hinaus haben mich schöne Steine und die Mineralogie angezogen. Und so sammelte sie auch für mich alle Arten von Ural- und anderen Steinen. <…> Unsere kleine Welt war somit voller wunderbarer Erlebnisse.“ Swjatoslaw beginnt früh mit Zeichnen und Modellieren, besucht Kurse in der Schule der Gesellschaft für Bildende Künste, bereitet Dekorationen für Hauseinrichtungen vor und hilft sogar seinem Vater bei seiner Arbeit mit Theater-Skizzen. Im Jahr 1913 tritt er in das Karl-May Gymnasium in Sankt Peterburg ein, in dem er bis 1916 lernt.
Ab 1919 ist Swjatoslaw Roerich an der Royal Academy of Arts in London, wo er Architektur studiert. Ein Jahr später setzt er seine Architekturausbildung in den USA fort, zuerst in der School of Columbia, danach an der Harvard-Universität. Zeitgleich besucht er die Fakultät für Skulpturen an der Universität von Massachusetts.
In Amerika nimmt Swjatoslaw Roerich eine aktive Rolle in allen Kultur-und Bildungseinrichtungen ein, die von Nikolaj und Elena Roerich gegründet wurden. Mit 19 Jahren leitet er das Internationale Kunstzentrum „Corona Mundi“, später wird er Vizepräsident des Roerich-Museums in New York.
Im Jahr 1923 besucht Swjatoslaw Roerich erstmals Indien. Hier lernt er die berühmtesten architektonischen Meisterwerke der indischen Kultur sowie die alte und moderne Kunst des Landes kennen. In Indien legt er den Grundstein für seine einzigartige Sammlung orientalischer Kunst, die leider fast vollständig nach seinem Tod verlorenging.
Im Jahr 1924 kehrt Swjatoslaw Roerich in die Vereinigten Staaten zurück und arbeitet mit an der Verwaltung der Kultur-und Bildungseinrichtungen, die mit dem Namen Nikolaj Roerich verbunden sind. Es ist das Verdienst Swjatoslaw Roerichs, dass seine Eltern und sein älterer Bruder, die sich auf der strapaziösen Zentralasiatischen Expedition befinden, einen Kontakt mit der „Außenwelt“ aufrecht halten können. So können sie auf ihre wissenschaftlichen und Forschungsaktivitäten konzentrieren. Zur gleichen Zeit führt Swjatoslaw Roerich seine Malerei fort, er arbeitet viel an seiner Verbesserung. Im Jahre 1925, während einer Ausstellung in Philadelphia mit rund einhundert seiner Werke, erhält er eine hohe Auszeichnung. Die anschließenden Leistungen der jungen Künstler sind überzeugende Schritte auf dem Weg zu Meisterhaftigkeit und Exzellenz.
Den Weg als Künstler beginnt Swjatoslaw Roerich als Porträtmaler und erreicht in diesem Genre höchste Meisterlichkeit. Eines der Merkmale seiner Arbeit ist das Begehren, den Charakter des Menschen zu spüren, den er porträtiert. Swjatoslaw stellt fest: „Wir müssen immer daran denken, dass ein gelungenes Porträt weit mehr ist als bloße Ähnlichkeit.“ Die aus seinen Pinselstrichen entstehenden Bilder sind elegant und prägnant, in ihnen sind die seelisch-emotionalen Abbilder des Menschen erstaunlich genau wiedergegeben. Und genau deshalb sind seine Bilder von Menschen so lebendig und anziehend. Er erstellt allein 30 Porträts seines Vaters, von denen eines vom Musèe de Luxembourg in Paris gekauft wird. Zu dieser Zeit ist Swjatoslaw Roerich erst 35 Jahre alt. Die Galerie der von Swjatoslaw geschaffenen Porträts ist riesig, darunter ragen unschätzbare Bilder von seinen Eltern heraus.
Vieles in den Werken des Künstlers zeigt den Einfluss seines Vaters auf sein schöpferisches Tun. Swjatoslaw Roerich bemerkt selbst: „<…> Die Ursprünge meiner Kunst sind untrennbar mit N[ikolaj] K[onstantinovich] verbunden“. Gleichzeitig jedoch geht Swjatoslaw Roerich, in Fortsetzung der Traditionen seines großen Vaters in der Malerei, seinen eigenen Weg. In seinen Werken findet sich keine Spur von Nachahmung. Jeder der beiden Künstler, Vater und Sohn, hat seinen eigenen Stil und seine einzigartige Maltechnik.
Selbst ein kurzes Betrachten der Gemälden von Roerich vermittelt die enorme schöpferische Vielfalt des Künstlers: Neben Porträts widmet er sich epischen, Landschafts-, Genre- und Symbolbildern. In all seinem Tun erweist er sich als Virtuose und inspirierter Experimentator.
Ab 1931, nun mit ständigem Wohnsitz in Indien, beteiligt sich Swjatoslaw Roerich aktiv am sozialen und kulturellen Leben dieses Landes. Er liebt dieses Land, das ihm zu einer zweiten Heimat wird. Einzigartige Naturschönheiten, kulturelle Vielfalt und der Facettenreichtum der geistigen Leistungen Indiens finden sich in vielen seiner wunderbaren Gemälde wieder. So gebührt die Ehre, Swjatoslaw Roerich den Stolz der Nation zu benennen, nicht nur Russland, sondern auch Indien.
Nach 1947 verbringt Swjatoslaw Roerich viel Zeit und Arbeit im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Roerich-Pakts seitens der indischen Regierung. „Ich freue mich mitteilen zu können, dass die indische Regierung wohlwollend auf unsere Ziele blickt, und den Roerich-Pakt billigt <…> Ich wünsche mir sehr, dass insbesondere dieses Land gerade jetzt ein aktiver Mitstreiter für die kulturellen Prinzipien dieses Paktes wird <…>“, schrieb Swjatoslaw Roerich an H. Kabir, einen der führenden Köpfe Indiens. Durch die Bemühungen von Swjatoslaw Roerich tritt Indien im August 1948 dem Abkommen bei. In den folgenden Jahren ist Swjatoslaw Roerich aktiv bei der Erhaltung und dem Schutz der alten indischen Kulturdenkmäler vor der Zerstörung. Er organisiert Komitees und erreicht bei den Regierungen der einzelnen indischen Bundesstaaten die Aufnahme konkreter Schritte in diese Richtung.
Im Juli 1941, nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion, telegrafiert Swjatoslaw dem sowjetischen Botschafter in London, I.M. Maiskij, über seinen Entschluss des Eintritts in die Rote Armee, erhält aber eine Absage. Dennoch überweist Swjatoslaw Roerich während des Zweiten Weltkriegs die Erlöse aus dem Verkauf von Gemälden und Ausstellungen an das Rote Kreuz der UdSSR.
Swjatoslaw beteiligt sich aktiv an den Arbeiten des Instituts für Himalaya-Studien „Urusvati“. Als Leiter der naturwissenschaftlichen Abteilung betreibt er einzigartige Forschungen auf verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaft. Dazu trägt die seltene Gabe der geistigen Synthese bei, die er besitzt. Im Mittelpunkt der naturwissenschaftlichen Interessen von Swjatoslaw Roerich steht das tiefe philosophische Verständnis der Natur als Ganzes, das untrennbar mit den großen kosmischen Gesetzen verbunden ist. Der Umfang seiner wissenschaftlichen Interessen ist verblüffend: Ornithologie, Botanik, Mineralogie, tibetische Arzneibücher, chemische und alchemistische Quellen, Astrologie, vergleichende Religionswissenschaft und Philosophie, Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft. Solche vielfältigen Aktivitäten des Wissenschaftlers Roerich belegen seine unbestreitbare Zugehörigkeit zu den Koryphäen der Naturforschung.
Das gesamte künstlerische und literarische Schaffen Swjatoslaw Roerischs, seine wissenschaftlichen, pädagogischen und sozialen Aktivitäten sind unzerstörbar mit den Ideen der Lebendigen Ethik verknüpft. Zu sagen, Swjatoslaw sei lediglich ein Anhänger von ihr, ist zu wenig. Er war nicht nur ein Anhänger dieses philosophischen Systems, sondern auch eine tiefgründiger Denker, der es geschafft hat, ihre wichtigsten Aspekte und Ideen zu entwickeln.
Eine große Rolle spielt die Kunst bei der Schaffung eines perfekteren, erhabeneren und tugendhafteren Menschen, was sich in vielen philosophischen Gedanken Svetoslavs widerspiegelt. Diese Überlegungen finden sich nicht nur in den Seiten seiner Essays und Tagebücher, sondern auch im gesamten Schaffen des Künstlers wieder.
„<…> Das Wahre liegt in der Schönheit, heißt es in einem der Bücher der Lebendigen Ethik. Der Kosmos bestärkt die Evolution nach dieser Formel. Der Kosmos lenkt die Welt zur Herrschaft durch Schönheit.“ Die Schönheit, ihr Wesen und ihre Rolle in der Evolution der Menschheit und die damit verbundenen Energie-Prozesse bilden die Grundlage der philosophischen Ansichten Swjatoslaw Roerichs. Ihn als Künstler und Denker zieht in erster Linie das Geheimnis der von Menschen geschaffenen Schönheit an. „Große Werke sind Lagerstätten enormer Energien, die Millionen von Menschen aktivieren und ändern können, die durch die Botschaft der Schönheit ungezählte Generationen, aus denen sie erstrahlt, beeinflussen können. <…> Eine unbeschreibliche Aura der Herrlichkeit erstrahlt durch ein großes Werk, sagte Swjatoslaw. Dies ist die Ausstrahlung verborgener Schwingungen, die in der Struktur großer Werke der Kunst verankert sind. Der Zauber der Gefühle, Gedanken und inniger Wünsche der großen Meister ist gefangen in ihren Werken, geht auf den Betrachter über und weckt in uns Gegengefühle neben dem rein energetischen und spirituellen Verständnis dessen, was sie ausdrücken. Wir streben nach vollkommeneren Verbindungen und nennen sie wunderbar. <…> So ist die außergewöhnliche Kraft der Kunst <…> eine verborgene Kraft, die in einem großen Werk stets präsent und aktiv ist. „
Swjatoslaw war davon überzeugt, dass Schönheit nicht ohne ein höheres Ideal geschaffen werden kann. Die Zerstörung dieses Ideals, sei es ein geistiges oder ästhetisches, führt zur Verunstaltung des Lebens, zum Tod ihres evolutionären Kerns.
Sein ganzes Leben hat der an den Fragen zur Erziehung eines vollkommeneren Menschen interessierte Künstler eine aktive Rolle beim Wirken der Kinderschule in Bangalore (Indien) eingenommen, die im Jahr 1962 basierend auf den Ideen des indischen Philosophen Sri Aurobindo Ghosh gegründet wurde. Aufgenommen werden Kinder ab einem Alter von 3 Jahren. Das Lehrkonzept dieser Schule fußt auf einer moralisch-ethischen Erziehung der Kinder durch eine speziell entwickelte Methodik. Die Kleinen werden bereits in frühem Alter mit den Ideen großer Philosophen, so auch mit denen von Elena Roerich und Nikolaj Roerich, vertraut gemacht unter besonderer Berücksichtigung der Kunsterziehung. Hierzu tragen auch die jährlichen Kinder-Malwettbewerbe bei.
Swjatoslaw sagt: „In unserer Lehrtätigkeit in Bangalore versuchen wir insbesondere, von Anfang an eine neue Generation von Aufstrebenden aufzubauen, wir geben Gedanken und Ideen großen Philosophen bereits in den frühestmöglichen Kindertagen weiter. <…> Unsere Erziehung muss so sein, dass der Mensch nach Abschluss der Schule stark ist und dem Bösen und der Unvollkommenheit widerstehen kann.“ Ab 1977 unterstützt Swjatoslaw Roerich die Schule mit finanziellen Mitteln.
Swjatoslaw ist allseits bekannt als Gründer und Ehrenpräsident des Kultur-und Bildungszentrums „Chitrakala Parishad“, das im Jahre 1972 in Bangalore gegründet wurde und heute eine Abteilung der örtlichen Universität ist.
Für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Kultur sowie für seinen Beitrag zum Frieden wird Swjatoslaw Roerich von mehreren Ländern mit Staatsauszeichnungen dekoriert, so mit dem höchsten Zivilorden Indiens, dem „Padma Bhushan“, dem sowjetischen Orden „Freundschaft der Völker“ und dem Orden „Reiter von Madara“, verliehen vom Staatskomittee Bulgariens. Swjatoslaw Roerich ist Träger des Internationalen Nehru-Preises, Ritter des bulgarischen Cyrill- und Methodius-Ordens, Ehrenmitglied der Akademie der Künste der UdSSR, Ehrendoktor der Universität Veliko Tarnowo in Bulgarien, Mitglied der Akademie der Bildenden Künste Indiens. Die bedeutendste Auszeichnung seines Lebens jedoch ist diejenige, die ihm vom Roerich-Museum New York verliehen wurde: Das Diplom zu dieser Auszeichnung ist von Nikolaj Roerich unterzeichnet.
Die erste Ausstellung mit Bildern von Swjatoslaw Roerich wird am 11. Mai 1960 in Moskau am Staatlichen Puschkin-Museum eröffnet. Einen Monat können die Gemälde von Besuchern der Leningrader Eremitage bewundert werden. Ab Beginn der 1970er Jahre werden regelmäßig Ausstellungen seiner Bilder in den Städten der Sowjetunion veranstaltet.
Im Jahre 1989 wird auf Initiative von Swjatoslaw Roerich in Moskau der Sowjetische Roerich-Fonds (seit 1991 Internationales Roerich-Zentrum) ins Leben gerufen, dessen Ehrenpräsident Swjatoslaw ist. Im März 1990 erfüllt Swjatoslaw Roerich den Wunsch seiner Eltern und übergibt dem Roerich-Fonds den Nachlass seiner Familie – Bilder, Gegenstände der darstellenden und angewandten Kunst, ein Archiv, eine Büchersammlung, persönliche Gegenstände. All dies bildet die Grundlage für die ständige Ausstellung des nichtstaatlichen Roerich-Museums, dessen Arbeit auf den Grundsätzen von Swjatoslaw Roerich gründet.
Swjatoslaw Roerich schied am 30. Januar 1993 aus dem Leben.